Winter in Mexiko

Jahreszeiten in Mexiko – je nach Region sind sie entweder gar nicht, nur schwach oder teilweise sehr extrem ausgeprägt. In der beliebten Urlaubsregion Yucatán herrscht zum Beispiel ganzjährig Sommer, der lediglich in Regen- und Trockenzeit und in heiß und sehr heiß unterschieden wird. Im Norden herrscht in weiten Teilen ein Steppenklima, in denen es nachts im Winter ähnlich kalt werden kann wie in Deutschland. Doch wie sieht es bei uns aus?

In San Luis Potosí, das relativ mittig in Mexiko liegt, haben wir aufgrund der Höhe von 2000 m Höhenklima. Zumindest offiziell, denn Höhenklima zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass es ab 1000 m Höhe herrscht, sondern auch durch besonders reine Luft, viel Wind und zunehmendem Niederschlag. Da die Stadt jedoch in einem Kessel liegt, trifft insbesondere die reine Luft leider überhaupt nicht mehr zu. Ganz im Gegenteil – der Smog und Dreck bleibt leider hervorragend über der Stadt hängen.

Smog über San Luis (Bild: Quelle)

Eigentlich ist es auch bei uns ganzjährig relativ warm. Tagsüber haben wir im Winter durchschnittlich 15-20°C und im Sommer 25-30°C, wobei Mai der heißeste Monat mit oft um die 35°C im Schatten ist. In der Sonne können es auch gerne mal gute 50°C werden. Dementsprechend haben wir nur schwach ausgeprägte Jahreszeiten, die man aber sogar in der Natur beobachten kann.

Im Frühling, der bereits ab Februar beginnt, wachsen vermehrt Blumen und die ersten Knospen zeigen sich. Im Sommer, der ab April startet, ist es vor allem in der prallen Sonne unerträglich heiß und alle grünen (Rasen-)Flächen werden braun. Im Herbst, der hier ca. ab Juli / August beginnt, wird es nicht zuletzt wegen der Regenzeit langsam etwas „kühler“, d.h. es sind im Schnitt nur noch 25°C. Außerdem werfen sogar einige Bäume ihre Blätter ab, allerdings sind sie meistens noch grün, sodass trotz allem kein richtiges Herbstfeeling aufkommt. Vom rot-goldenen Laub kann man hier nur träumen. Im Winter, der hier eigentlich nur 1-2 Monate andauert, braucht man tagsüber dann doch manchmal eine dünne Jacke. Landschaftlich gesehen ändert sich allerdings gar nichts. Schnee, den sich meine Kinder so sehr wünschen, kann man sich hier nur auf Fotos anschauen.

Das klingt ja erstmal so weit ganz angenehm, oder? Ja, das wäre es auch, wenn es da nicht noch die Nächte gäbe. Die haben es nämlich vor allem im Winter in sich und gehen teilweise sogar unter 0°C. Das hört sich verglichen mit Deutschland natürlich überhaupt nicht kalt an, allerdings darf man nicht vergessen, dass wir hier keine Heizung haben. Generell haben die allerallerallerwenigsten Häuser in Mexiko eine fest eingebaute Heizung und noch weniger eine Fußbodenheizung. Erstens lohnt die sich kaum und zweitens ist es natürlich auch eine Kostenfrage, d.h. der Großteil der Bevölkerung kann sie sich schlicht nicht leisten.

Hinzu kommt, dass die Bauweise der Häuser sehr… mexikanisch ist. Es wird meist mit dem gebaut, was vorhanden ist – oft sind es schmale rote Ziegelsteine ohne Dämmung, die aber zumindest von innen verputzt werden -, die Fenster sind einfach verglast, aber öfters so schief, dass auch bei geschlossenem Fenster ein offener Spalt vorhanden ist und unter den (Außen-)Türen ist ebenfalls ein gut 1-2 cm großer Spalt.

Hier ist der offene Spalt bei geschlossenem Fenster gut zu erkennen.

Bei dieser Bauweise wundert es wenig, dass die Innentemperatur mit der Außentemperatur mit +/- 10°C fast identisch ist. Während wir im Sommer mit 30°C Innentemperatur zerfließen – und uns deswegen vorrangig draußen im Schatten aufhalten, wo es wenigstens ein wenig Wind gibt -, liegen wir im Winter nachts bei 12°C Innentemperatur trotz zweier Decken und Wärmflasche bibbernd im Schlafzimmer. Da macht das morgendliche Aufstehen noch weniger Spaß als ohnehin schon und kostet einiges an Überwindung, denn man weiß, dass einen bloß das kalte Bad und eiskalte Kleidung erwartet. Immerhin klettert die Innentemperatur im Laufe des Tages dank der Sonne meist auf 18-20°C. Ohne sie schaffen wir es nur auf max. 16°C.

Im letzten Jahr hatten wir morgens um 10 Uhr im Kinderzimmer knapp 13°C – und da hatte die Sonne das Zimmer schon etwas gewärmt!

Jetzt könnte man natürlich mit Heizlüftern heizen, aber erstens ist Strom hier sehr teuer und zweitens sind die Häuser so offen gebaut, dass es sich nicht wirklich lohnt. Im Erdgeschoss haben wir über dem Esszimmer z.B. eine ca. 9 m hohe (undichte) Kuppel, die das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss verbindet. Diesen Bereich zu heizen wäre schlicht sinnlos. Im ersten Winter haben wir mal versucht das Kinderzimmer des Mittleren mit 2 Elektroheizungen zu heizen. Nach 2 Stunden auf vollster Stufe haben wir es von 18°C auf 19,5°C gebracht, aber das ist bei 30 qm mit 5 m hohen Decken und undichten Fenstern auch nicht verwunderlich. Da lohnt es sich eher auf die Sonne zu warten.

Im zweiten Winter hatten wir uns mit der Kälte einfach abgefunden und es wie die Mexikaner gehandhabt: Tagsüber hielten wir uns möglichst draußen in der Sonne auf, wofür oftmals ein T-Shirt oder Langarmshirt reichte, und beim Reinkommen zogen wir uns die Winterjacken über. Verkehrte Welt quasi.

In der Schule ist es übrigens nicht anders. Ab November gehen die Kinder dort im Zwiebellook hin, denn auch in den Klassenzimmer gibt es keine Heizungen und maximal 15°C. Außerdem sind auch die Schulen sehr offen gebaut, sodass jedes Klassenzimmer direkt von außen betreten werden kann und somit bei jedem Tür öffnen kalte Luft ins Klassenzimmer strömt. Da im Winter zwischen nachts und mittags Temperaturunterschiede von bis zu 25°C herrschen, ist es wichtig sich mithilfe vieler verschiedener Kleidungsschichten anpassen zu können.

Im letzten Winter trug die Kleine in der Schule während des Unterrichts
– Unterhemd
– Schul-T-Shirt
– dünne Baumwolljacke
– Schuljacke
– Fleecejacke
– Softshelljacke

Dazu gab es noch Handschuhe, Schal und Mütze und bei Bedarf eine Decke. Anfangs fand ich es sehr ungewohnt, aber wer über mehrere Stunden bei 15°C still sitzen muss, braucht eben so viel.

Ausstattung zum Sitzen im Wohnzimmer: Pullover, Thermoanzug, extra dicke Fleecedecke, Schal und Handschuhe.

Aufgrund dieser Erfahrungen finde ich die Diskussionen in Deutschland, die sich um das Lüften der Klassenzimmer im Winter drehen, sehr witzig. Immerhin werden die Klassenzimmer weiter geheizt und selbst wenn die deutschen Schüler diesen Winter mal bei 20°C anstelle von 24°C im Unterricht sitzen, bedeutet es zwar ein Verlassen der gewohnten Komfortzone, doch nur für begrenzte Zeit. Vielleicht hilft es sich vor Augen zu halten, dass es in anderen Ländern gang und gäbe ist. Ich würde mir wünschen, dass viele das schaffen, denn es bringt mehr Verständnis und Empathie für die Lebens(!)situation anderer Völker, während es für die Deutschen lediglich ein kurzer Ausflug in fremde, unbequeme Alltagssituationen bleiben wird.

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