Oder: Abschiedsgeschenk mal anders! Vor einigen Tagen hatten die Kinder ihren lang herbeigesehnten letzten Schultag und nun liegen 7 herrliche Wochen Sommerferien vor uns. Als Dankeschön und Abschied durften wir ein kleines Geschenk für den Mittleren von der Schule abholen…
Gut gelaunt und in Gedanken schon längst beim Planen der ersten Ferientage – diese beinhalteten vor allem ausschlafen, erholen, Schulhefte-in-die-hinterste-Ecke-feuern und ausschlafen!! – fuhr ich zur angegebenen Zeit zur Schule. Die hatte bei uns wegen der nach wie vor steigenden Infektionszahlen bis zum Schuljahresende geschlossen und wurde nur kurzzeitig für das Abholen der Geschenke geöffnet. In Erwartung einer kleinen Tüte mit wahlweise bunten Stiften, Radiergummis, Heftchen, Süßigkeiten oder ähnlichem betrat ich den Klassenraum des Mittleren. Seine Englischlehrerin begrüßte mich freudig, drückte mir in Windeseile, aber mit gebührendem Abstand eine kleine braune Tüte und einen Becher mit einem Fisch in die Hand. Einem Fisch?!!?? Ernsthaft?

Während ich ziemlich überrumpelt dastand, erläuterte sie mir kurz und knapp, dass in der Tüte eine kleine Vase und Fischfutter für den Fisch wären und wünschte mir schöne Ferien. Nach insgesamt nicht mal einer Minute verließ ich die Schule wieder und saß, absolut geschockt und überfordert, wieder im Auto. Mit einem Fisch auf dem Schoß. Ich fuhr nach Hause und während der Mittlere und die Kleine sichtlich begeistert über unser neues Haustier waren, konnte zumindest der Große meinen Schock und meinen langsam aufkeimenden Ärger nachvollziehen. Wie kommt man bitteschön auf die Idee einen Fisch zu verschenken? Was sollen wir mit dem anfangen? Ich mag Fische nicht!
Nach einiger Recherche im Internet und Befragungen von Freunden war schnell klar, dass der Fisch, von dem ich mittlerweile wusste, dass es sich hierbei um einen siamesischen Kampffisch handelte, weder in seinem Becher noch in seiner Vase auf Dauer gut aufgehoben war.

Behalten wollte ich ihn auf gar keinen Fall, denn erstens mag ich Fische überhaupt nicht – die rangieren auf meiner Liste der geliebten Haustiere irgendwo zwischen Schlangen, Skorpionen und Krokodilen. Also ganz weit unten -, zweitens haben wir schon ein Haustier, um das ich mich größtenteils alleine kümmern darf, drittens haben wir alle keine Ahnung von Fischen und viertens werden wir bald umziehen. In Gedanken sah ich mich schon mit einem Fisch in der Tupperdose im Flugzeug Richtung Deutschland fliegen. No way!
Demzufolge versuchte ich die Begeisterung meines Mittleren etwas zu bremsen und erklärte ihm, was für Kosten auf uns zukommen würden. Ich hatte nämlich inzwischen gelernt, dass ein einfaches Aquarium mit Wasser nicht ausreichen würde, sondern wir auch noch einen Heizstab, eine Sauerstoffpumpe, anderes Fischfutter, Wasserpflanzen usw. benötigen würden. Außerdem müsste das Aquarium auch noch regelmäßig gereinigt werden, sodass wir in Zukunft neben den Kosten auch noch mehr Arbeit haben würden.
Nun stellte sich die Frage: Wohin mit dem Fisch? Ihn an Mexikaner zu verschenken, erschien uns aufgrund der hiesigen Beziehung zu Tieren keine gute Idee. Ähnlich wie die Hunde, die ohne Auslauf dauerhaft auf dem Dach wohnen, leben Fische in einem kleinen Klecks Wasser mit irgendwelchem Futter. Ohne Sauerstoff, ohne Pflanzen. Einfach weil er schön anzuschauen ist, zumindest solange er lebt. Ihn im Stausee auszusetzen erschien uns u.a. aufgrund der Tatsache, dass er ursprünglich in Südostasien beheimatet ist, ebenfalls als falsch. Ihn im Tierhandel abzugeben, wo die zu verkaufenden Fische in 200 ml-Bechern ihr Dasein fristen, wäre ebenfalls Tierquälerei gewesen.
Wir gelangten irgendwann zu dem Schluss, dass alle Alternativen keine wirkliche Option für uns darstellten und wir den Fisch wohl oder übel behalten mussten. Nach einem weiteren Gespräch mit dem Mittleren machten mein Mann und ich uns auf den Weg in die Tierhandlung.
Zunächst fuhren wir in einen Aquaristikladen, bei dem wir schnell feststellten, dass wir dort lediglich die Wasserpflanzen kaufen würden. In Deutschland würde man sagen, dass der Laden seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat, für mexikanische Verhältnisse war er aber ok. Auf die selbstgebauten Aquarien wollten wir dann aber doch verzichten, weil wir wenig Lust hatten deren Dichtigkeit in unserem Esszimmer zu testen und im Zweifel 40 l Wasser aufzuwischen. Auch wenn sie mit ca. 30 € ziemlich günstig waren.
Das Regal der Wasserpflanzen sah leider wenig einladend aus und eigentlich hatte ich gelesen, dass man möglichst großblättrige Pflanzen nehmen sollte. Aufgrund der geringen Auswahl – speziell in diesem Laden und allgemein in San Luis Potosí – nahmen wir einfach mit den bestaussehendsten Pflanzen vorlieb und hofften, dass sie im Aquarium gut anwachsen würden.

Von dort aus ging es zur Zoohandlung, wo es sogar spezielle Kampffisch-„Aquarien“ zu kaufen gab. Diese waren handlich, günstig und versprachen keinen Stress. Also eigentlich perfekt für mich als Laien, wenn ich nicht bereits gelesen hätte, dass Kampffische mindestens ein 30 l Aquarium brauchen. Eine Verkäuferin wollte mir diese kleinen Glaskästen auch als das Nonplusultra schlechthin verkaufen und somit wundert es mich nicht, dass die Mexikaner, insofern sie sich nicht vorher selbst informieren, diese Art von Fischhaltung als völlig normal empfinden.

Glücklicherweise gab es auch noch „richtige“ Aquarien und so entschieden wir uns nach einigem Hin und Her für ein vorgefertigtes Set, welches im Angebot war. Ein reines Aquarium ohne Deckel – diesen brauchten wir aber, da Kampffische versierte Springer sind -, Pumpe, Heizstab usw. hätte zwar ca. 20 € weniger gekostet, aber da wir uns in der Materie nicht auskennen und nicht wussten, ob irgendwelche Zubehörteile nicht kompatibel zueinander sind, zahlten wir lieber den etwas höheren Preis.

Zuhause wurden wir von einem überglücklichen Mittleren empfangen, der sich sogleich ans Einrichten des Aquariums machte. Große, glatte Steine und Muscheln holten wir aus dem Garten – ein Glück, dass wir letztere im Urlaub in Baja California Sur gesammelt haben – und den Kies hatten wir nebst Futter auch in der Zoohandlung gekauft.

Das Einrichten dauerte in Summe ca. 1 Stunde – nicht zuletzt, weil wir gefühlt einhundertmal zwischen Esszimmer und Küche hin und her liefen, um das Aquarium mit Wasser zu befüllen – und nachdem es die richtige Temperatur hatte, setzten wir den Fisch alsbald ein. In der Anleitung stand zwar, dass man mindestens 24 h warten soll, aber der Fisch sah in seiner bisherigen Vase ziemlich traurig und verloren aus.
Der Fisch hat inzwischen natürlich auch einen Namen bekommen: Pezi. Da er ein mexikanischer Fisch ist, brauchte er laut der Kinder unbedingt einen spanischen Namen. Demzufolge übersetzten sie Fisch auf Spanisch (= pez) und hängten noch ein „i“ hinten ran, quasi für Fischi. Logisch, oder?!

Nun bleibt nur zu hoffen, dass der Fisch unseren nächsten Urlaub und unsere damit einhergehende Abwesenheit überlebt. Was wir mit ihm bei unserem Umzug machen, wissen wir allerdings nach wie vor nicht. Aber vielleicht lebt er bis dahin auch gar nicht mehr, weswegen wir diese Gedanken noch ganz weit von uns schieben…
Und was lernen wir aus der ganzen Geschicht‘? Mexikanern ist alles zuzutrauen und offensichtlich werden nicht nur Hunde als nettes Accessoire gesehen, sondern generell alle Tiere. Beim nächsten Geschenk lasse ich mich jedenfalls nicht überrumpeln, sonst kehren wir noch mit einem ganzen Kleintierzoo nach Deutschland zurück!
3 Kommentare zu „Wie wir zu einem Kampffisch kamen“