Am dritten und letzten Tag fuhren wir in den kleinen Ort Xochimilco, der im Süden Mexiko Citys liegt. Dieses Weltkulturerbe kann unter anderem mit farbenfrohen Ausflugsbarken erkundet werden, da er größtenteils aus einem großen Labyrinth von Seen und Kanälen besteht.
Trajineras de Xochimilco
Xochimilco – ausgesprochen klingt es wie Ksotschimielko – ist náhuatl und bedeutet Ort der Blumenfelder. Hier wohnten ab Ende des 12. Jh.s vermutlich Tolteken, die für ihr einzigartiges Chinampa-System bekannt waren. Diese Anbaumethode bestand aus kleinen, mit Schlamm und Wasserpflanzen bedeckten Flößen, die bepflanzt wurden. Im Laufe der Zeit wuchsen diese schwimmenden Gärten aufgrund von Wurzelbildung am Grund des Sees fest. Dank der Schlammdüngung und permanenten Wasserzufuhr gab es jedes Jahr eine reichhaltige Ernte, die u.a. die Versorgung von Tenochtitlán, der Hauptstadt des Aztekenreiches, sicherstellten.
Als die Spanier im 16. Jh. nach und nach Mexiko eroberten, fiel auch Tenochtitlán und wurde fast gänzlich zerstört. Mit den Trümmern der Stadt wurden viele Kanäle ringsherum zugeschüttet und auf den Überresten von Tenochtitlán wurde das heutige Mexiko City gebaut. Der riesengroße Texcoco-See, der Tenochtitlán umgab, wurde Schritt für Schritt trocken gelegt, sodass heutzutage nur noch kleine Gewässer in Xochimilco ein letztes Überbleibsel der damaligen Zeit bilden.

Noch heute ist die Region um den Ort ein wichtiges Anbaugebiet für Gemüse und Blumen, auch wenn von der einstigen Lagune nur noch ein Bruchteil übrig geblieben ist. Trotzdem sind immernoch ca. 100 km dieser Kanäle mit den Booten befahrbar und jährlich kommen viele Touristen zu diesem beliebten Ausflugsziel.
Dorthin zu gelangen ist jedoch gar nicht so einfach. Bereits 5 km vor Xochimilco wird man von Motorrad- und Fahrradfahrern belagert, die einem erzählen wollen, dass die kommenden Straßen gesperrt und man woanders entlang fahren müsste. Es gibt nämlich verschiedene Bootsanlegestellen, die von unterschiedlichen Familien geführt werden und jede versucht der anderen die Fahrgäste streitig zu machen. Da wir bereits von Freunden vorgewarnt worden waren und uns eine bestimmte Bootsanlegestelle als besonders gut empfohlen worden war, ignorierten wir die „Warnung“ der Straßensperre und fuhren weiter. Je näher wir Xochimilco kamen, desto aggressiver wurden die Fahrradfahrer und deren Warnungen jedoch, bis sie schlussendlich sogar gegen unser Auto schlugen und uns Beschimpfungen hinterher riefen.
Am Zielort angekommen, suchten wir uns einen kleinen privaten Parkplatz, nur um festzustellen, dass es direkt am Bootsanleger einen großen öffentlichen gibt. Unsere Bootstour startete von diesen Bootsanlegestellen nahe des Zentrums von Xochimilco, wo die trajineras (= Boote) in langen Reihen auf Fahrgäste warten. Im Übrigen werden die Fahrten nicht nur von ausländischen Touristen, sondern auch von Mexikanern, die auf den Booten Familienfeiern o.ä. veranstalten, genutzt. Die Boote sind groß genug, um ca. 20 Personen genug Platz zu bieten.

Die Tour dauerte ca. 2 Stunden und beinhaltete eine Fahrt auf den Kanälen zwischen den schwimmenden Gärten, zu diversen Gärtnereien und der isla de las muñecas (= Insel der Puppen). Letztere ist eine Insel mit Hunderten von teilweise verstümmelten nackten Puppen, die dort aufgehängt und abgelegt wurden, um den Geist des kleinen Mädchens zu besänftigen, das dort vor vielen Jahren ertrunken ist. Ich fand die Insel einfach nur gruselig und furchtbar und wäre am liebsten gar nicht daran vorbeigefahren, aber leider lag sie auf der normalen Route.

Das Fahren auf den Kanälen erinnert einen stark an Venedig, denn auch hier bewegen die Führer die Boote mit langen Stangen fort. Es ist ein langsames, aber sehr gemütliches Fortkommen. Man kann währenddessen die anderen Barken und deren Gäste betrachten, die dicht an dicht an einem vorbeifahren, den Mariachis, die auch hier wieder ihre musikalischen Künste darbieten, lauschen und sich die Umgebung ansehen. Wer während der Fahrt von Hunger geplagt wird, kann sich typisch mexikanisches Essen von einem der vielen kleinen herumfahrenden Essensboote kaufen. Zusätzlich gibt es noch kleine Boote bei denen man Andenken oder Blumenhaarschmuck kaufen kann.

Wir hielten auch in einer Gärtnerei an und gingen kurz an Land. Dort sah ich zum ersten Mal Weihnachtssterne in allen erdenklichen Farben, denn bisher kannte ich nur rote Weihnachtssterne, die es in Deutschland zur Weihnachtszeit zu kaufen gibt. Hier jedoch wuchsen weiße, orangene, rote, rosane, blaue usw. Weihnachtssterne.
Die 2 Stunden gingen relativ schnell vorbei, was zum Teil auch an unserem sehr netten Bootsführer lag. Er wusste viel über die Umgebung und Geschichte Xochimilcos und auf dem Rückweg fuhr er mit uns über einen weniger befahrenen Seitenarm. Der Hauptkanal war inzwischen proppenvoll und dank der Mariachis und teilweise mitgebrachten Musikboxen mexikanischer Familien sehr laut. Der Seitenkanal zeigte uns noch einmal eine ganz andere Seite von Xochimilco: Hier gab es zwar auch viele hübsche, teilweise herrschaftliche Häuser wie am Hauptkanal, aber es waren auch einige ärmliche, teilweise nur aus Bauresten gebaute Hütten dabei, die direkt neben den prachtvollen Häusern standen.

Das finde ich sowieso recht erstaunlich in Mexiko, wie hier arm und reich so dicht nebeneinander leben können. Einerseits ohne offenbar schlechtes Gewissen auf der einen Seite und ohne Neid oder Missgunst (und damit einhergehendem Diebstahl) auf der anderen Seite. Auffällig war aber, dass hier der Zahn der Zeit – oder besser gesagt das Wasser – an fast allen Gebäuden nagte. Viele wiesen Risse auf oder standen schon sichtbar schief.
Einen Besuch der schwimmenden Gärten kann ich jedem nur empfehlen. Es war wirklich interessant und lehrreich mal eine ganz andere Seite von Mexiko City kennenzulernen. Allerdings würde ich so wie wir spätestens gegen 11 Uhr mit der Bootstour starten. Je weiter der Tag voranschreitet, desto mehr Fahrgäste tummeln sich auf dem Kanal. Als wir gegen 13 Uhr wieder zurück zur Anlegestelle kamen, sah man ungelogen kein Wasser mehr, weil die Boote so dicht aneinander fuhren.
Das persönliche Highlight der Kinder war, dass sie selbst einmal Staken durften. Dabei stellten sie recht schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist, das Boot einerseits vorwärts zu bringen und andererseits auch noch auf Kurs zu bleiben.
Innenstadt
Eigentlich kannten wir die Innenstadt schon von unserem ersten Besuch in Mexiko City während unseres Look & See Trips vor einem Jahr, aber wir hatten noch den ganzen Nachmittag Zeit, bevor es am nächsten Tag wieder nach Hause ging. Also schlenderten wir noch ein wenig durch die Innenstadt Richtung Zócalo. Auf dem Weg dorthin kamen wir an dem Palacio de Bellas Artes (= Palast der Schönen Künste) vorbei, der wichtigsten kulturellen Einrichtung Mexiko. Diese ist sowohl dem Theater, Tanz, Oper und Musik als auch der Architektur, der Literatur und den visuellen Künsten geweiht. Innen ist der Palast sehr stilvoll und imposant mit viel Marmor ausgekleidet.

In der Innenstadt liefen wir durch Zufall an einer Ausstellung von mexikanischer (teilweise traditioneller) Kunst vorbei. Dort fanden wir sogar die typischen Barken von Xochimilco, die wir eben noch live gesehen hatten.

In der Innenstadt fiel mir mal wieder auf wie laut und voll es in Mexiko City immer ist. Wenn man die menschengefüllten Straßen entlang blickt, bekommt man nur vom Zuschauen fast Platzangst. Der Lärm ist unerträglich und der Geruch nach Abgasen tut sein Übriges. Vermutlich ist das alles eine Gewöhnungssache, aber ich bin froh, dass ich mich nicht daran gewöhnen muss, sondern nur im beschaulichen San Luis mit „nur“ knapp 800.000 Einwohnern lebe.
Am nächsten Tag machten wir uns gefüllt mit neuen Eindrücken und Erlebtem wieder auf den Heimweg und freuten uns vor allem auf das Wiedersehen mit Laila und unser vergleichsweise kleines ruhiges Städtchen.