Gefühlt spiegelt die mexikanische Fahrweise die Lebenseinstellung der Mexikaner wieder: spontan, bunt, chaotisch, laut, regellos, entspannt.
Bezüglich des Erwerbens eines Führerscheins haben wir bisher unterschiedliches gehört. Von „Hier wird der Führerschein einfach nur gekauft, ohne jegliche Theorie- oder Praxiserfahrung“ bis hin zu „Man muss hier ebenfalls eine Theorieprüfung ablegen“ war alles dabei. Ich bin gespannt, ob wir irgendwann erfahren, wie es wirklich ist. Ich vermute, irgendetwas dazwischen und zusätzlich noch abhängig von den Regionen.
Wenn ich im Auto sitze, habe ich allerdings tatsächlich oft das Gefühl, dass sich viele das Autofahren learning by doing selbst beigebracht haben. Oder eben der Vater dem Sohn. Im Auto vom Uropa. Welches der Sohn jetzt immernoch fährt.
Sowas wie einen TÜV gibt es hier (angeblich) gar nicht. Ich bin auch gerne bereit, dem zu glauben, denn was hier für Autos auf der Straße fahren, wäre in Deutschland nicht erlaubt. Teilweise mit nur einem (oder gar keinem) Seitenspiegel, weil abgefahren. Die gesamte Karosserie verrostet. Auspuff halb auf der Straße hängend. Fensterscheiben nur teilweise (oder gar nicht) vorhanden bzw. durch Pappe / Folie ergänzt oder ersetzt. Pick-Ups von Handwerkern für ihre Zwecke umgestaltet (da wird auf die Ladefläche mal eben ein Gestell raufgeschweißt, damit man besser seine Waren transportieren kann. Natürlich weder genormt noch Sicherheitsapsekte beachtend). Ich würde sagen, dass solche Autos ca. 40-50 % des Verkehrs ausmachen.

Natürlich gibt es auch hier vernünftige und normale Autos, so wie wir sie kennen. Die meisten Autos sind von Chevrolet, Honda, Kia, Toyota usw., aber auch einige deutsche Marken wie VW, BMW, Mercedes…, aber diese sind nur zu ca. 5-10 % vertreten und stechen dementsprechend heraus. Sogar Porsche und Jaguar habe ich hier schon fahren sehen. Wir selbst fahren zwei Dienstwagen unserer Firma, was gerade ich alles andere als lustig finde. Im Vergleich zu den anderen Autos fällt man schon auf und ich habe immer das Gefühl, dass alles an dem Auto „Haaaaaalllo, hier bin ich!!!! Hier sitzt das Geld. Bitte überfalle mich!!!“ schreit. In einem Chevrolet oder so, die hier eben sehr häufig vertreten sind und von denen wir auch unseren Mietwagen für die ersten paar Wochen hatten, würde ich mich bedeutend wohler fühlen.
Generell ist Mexiko gefühlt eine Autowasch-Gesellschaft. Wie viele Waschanlagen – die auch alle sehr gut besucht sind! – ich hier schon gesehen habe! Da wir eigentlich dazu verpflichtet sind, einmal pro Woche unsere Autos waschen zu lassen (mache ich aber nur alle zwei Wochen. In einem ständig blitzblank geputzten Auto fällt man ja noch mehr auf), kenne ich den Ablauf inzwischen ganz gut. Die Preise sind im Vergleich zu Deutschland wahnsinnig günstig. Das allerallerteuerste Paket kostet umgerechnet 5 €. Da wir das nehmen müssen, kann ich auch nur dazu was sagen: Hierbei wird das Auto zuerst manuell abgespritzt, noch eingeseift, der größte Dreck usw. schon mal per Hand beseitigt. Dann wird man durch eine Waschanlage gefahren. Ist ähnlich wie in Deutschland, nur das die hier nicht mehr ganz so modern aussieht und ich beim Trockenpuste-Dings zum Schluss immer Angst habe, dass diese Stange nicht hochgeht und stattdessen mein Auto dagegen geschoben wird und die Frontscheibe kaputt geht. Aber toitoitoi, bisher war alles gut.
Danach fährt man raus und kommt in einen riesigen Bereich, wo die Autos nochmal manuell von außen und innen geputzt werden. Im Schnitt sind ca. 3 Leute pro Auto beschäftigt und es gibt 2×6 Stellplätze. Für dieses Putzen brauchen sie ca. 10 min, sodass man insgesamt für einmal Autowaschen ca. 30 min inkl. Warten rechnen kann. Zum Schluss gibt man den Leuten noch ein Trinkgeld, wobei ich über die Höhe immernoch unsicher bin. Von Mexikanern wurde uns gesagt, dass 10 Pesos angebracht sind (ca. 45 Cent), wobei ich oft 15-20 Pesos gebe (immernoch unter 1 €). Beim ersten Mal hat mein Mann ihnen 30 Pesos (ca. 1,40 €) gegeben und da sind die vor Freude fast ausgeflippt. Dabei müssen sie sich das ja mindestens zu dritt teilen. Nur, dass man mal ein bisschen ein Gefühl für die finanzielle Lage der Leute bekommt.

Viele Leute sehe ich auch ihre Autos in den privadas per Hand waschen. Da kommt man sich dann vor wie in Deutschland an einem Sonntag, wo die ganzen Rentner ihre Autos aus der Garage holen, spazierenfahren und dann waschen. Nur, dass das hier oft zweimal pro Woche geschieht. Der Sand und Staub, der hier rumgewirbelt wird, macht die Autos aber tatsächlich relativ schnell dreckig. Bereits einen Tag nach dem Waschen ist das Auto wieder komplett von einer feinen Staubschicht überzogen. So sah es bei uns in Deutschland frühestens nach ca. einer Woche aus.
Naja, zurück zum Verkehr: Wenn man unfallfrei von A nach B kommen möchte, sollte man sich einfach anpassen und nicht nur für sich, sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmer mitdenken. Spurenbegrenzungen gibt es hier selten bis nie. Braucht man bei diesem Fahrstil allerdings auch nicht. Die Straße, die z.B. von uns zur Schule führt, hat eigentlich je zwei Spuren auf der rechten und linken Seite plus je noch einen Parkstreifen. Stehen auf dem Parkstreifen keine Autos, wird diese Spur einfach zum Fahren genutzt, sodass man plötzlich anstelle der 2 Spuren 3 Spuren hat. Da jedoch keine Spuren aufgemalt sind, kann man allerdings, wenn man es z.B. eilig hat oder es viel Verkehr gibt, sich einfach ein bisschen dazwischen drängeln und so noch eine weitere Spur aufmachen. Dann hat man im besten Fall also gleich 4 Spuren. So wird also aus einer 4-spurigen Straße eine 8-spurige.
Da an diese große Straßen auch noch Nebenstraßen grenzen und es keine Ampeln gibt, gibt es in der Mitte eine zusätzliche Spur. Wenn man also von der „falschen“ Seite kommend in die Nebenstraßen abbiegen möchte, benutzt man diese Mittelspur, wartet dort kurz auf eine Lücke im Gegenverkehr und kann dann abbiegen. Dummerweise muss diese eine Mittelspur von beiden Seiten genutzt werden. Also auch vom Gegenverkehr. D.h. wenn ich die Spur benutzen will, muss ich nicht nur schauen, ob vor, hinter oder 2 Spuren neben mir gerade jemand rausschert, um ebenfalls die Mittelspur zu benutzen, sondern ich muss auch den Gegenverkehr beobachten und hoffen, dass da jetzt niemand zeitgleich auf die gleiche Idee kommt. Vermutlich ist es unnötig zu erwähnen, dass ich da schon so einige Unfälle gesehen habe.

Das führt uns gleich zu den nächsten beiden Punkten: Blinker und Tempobegrenzungen werden überbewertet. Ersteres erschwert es eben zu wissen, ob jemand vielleicht auch diese Spur benutzen möchte. Generell wird beim „Spurenwechsel“ – vermutlich bezeichne auch nur ich das so. Die Mexikaner haben ja keine Spuren eingezeichnet, also gibt es auch keine – nicht geblinkt. Sobald eine Lücke entsteht, die vermutlich groß genug für das eigene Auto ist, wird hineingehüpft. Manchmal darf man als Hintermann zwar eine halbe Vollbremsung hinlegen oder muss schnell nach rechts oder links ausweichen (was dann die dortigen Autos zwingt, das gleiche Verhalten an den Tag zu legen), aber das stört hier keinen großartig. Gehupt wird trotz des ziemlich chaotischen Fahrstils sehr selten.
Tempobegrenzungen sind eigentlich nur nett gemeinte Hinweisschilder. Auf oben beschriebener Straße darf man eigentlich 50 km/h fahren. Die Realität sieht so aus, dass alle inklusive mir im Schnitt 80 km/h. Mal mehr, mal weniger. Uns wurde eingebläut, dass a) man im Schnitt 20-30 km/h mehr fährt als auf den Schildern steht und dass wir b) auf keinen Fall im Straßenverkehr auffallen sollen. Würde ich also 50 km/h oder zumindest deutlich langsamer fahren als die anderen, würde ich auffallen. Deswegen passe ich mich also an und bin dort sogar schon mit 100 km/h mit allen anderen Autos mitgefahren. Generell habe ich mir inzwischen abgewöhnt auf Verkehrsschilder zu schauen, da es sowieso nichts bringt, und mache nur noch das, was die anderen machen. Ich weiss jetzt schon, dass es furchtbar wird sich das in Deutschland wieder abzugewöhnen. Mein Blinker ist hier gefühlt auch nur noch zur Zierde da, obwohl ich ihn immer noch häufiger benutze als die Mexikaner.
Um die Leute zumindest ein bisschen dazu zu zwingen ihre Geschwindigkeit zu drosseln, gibt es Bremsschwellen auf der Straße. Mal sind sie relativ klein, mal groß, mal aus Teer und als langer Streifen über die gesamte Straßenbreite gehend (sodass man sie kaum bis gar nicht sieht), mal aus Metall und nur als Halbkugeln usw. Mal gibt es Hinweisschilder, die einen darauf aufmerksam machen, dass in 100 m so eine Bremsschwelle kommt, mal nicht. Allerdings sollte man wirklich relativ langsam über sie fahren, weil das den Achsen und auch dem Unterboden bei tiefergelegten Autos nicht gut bekommt, wenn man dadrüber hinweg rast. Seltsamerweise gibt es die Bremsschwellen auch auf einer hiesigen Umgehungsstraße, wo man eigentlich 80 km/h fahren darf. Dann muss man ständig auf ca. 20 km/h abbremsen, nur um dann wieder Gas zu geben. Den Sinn und Zweck habe ich an dieser Stelle noch nicht verstanden.
Was mich anfangs sehr irritiert hat und ehrlich gesagt immer noch nervt, ist die Ampelschaltung. Hier gibt es grundsätzlich 4 Ampelleuchten: die drei oberen für grün, gelb, rot und den untersten für einen grünen Pfeil für (immer!) die Linksabbieger. Denn als Rechtsabbieger darf man grundsätzlich auch bei roter Ampel abbiegen. Man muss halt gaaaanz vorsichtig – oder so vorsichtig wie man das als Mexikaner halt so macht – an die Straße ranfahren, schauen, dass von den anderen Straßen der Kreuzung gerade niemand kommt, und kann dann abbiegen. Auf Fußgänger, Fahrradfahrer, Straßenverkäufer, freilaufende Hunde, Kinder, herumfliegende Autoteile usw. sollte man nach Möglichkeit auch noch gucken. Falls nicht, funktioniert hoffentlich die Bremse gut.
Die Ampel ist oft so geschaltet, dass bei einer Kreuzung mit 4 sich treffenden Straßen immer eine (!) Straße komplett grün hat. Also die Geradeausfahrer und Linksabbieger. Rechtsabbieger sowieso. In Deutschland ist es ja so, dass die sich gegenüberliegenden Straßen gleichzeitig grün haben und sich die Linksabbieger dann mit den Geradeausfahrern arrangieren müssen. Dieses System finde ich deutlich besser, weil es einfach schneller geht. An der Kreuzung vor der Schule geht die Grünphase ca. 30 Sekunden. Hört sich erstmal viel an, aber da sich die Autos trotz grün arrangieren müssen – wir erinnern uns, es gibt ja keine Spuren. D.h. aus der rechtesten Spur möchte des Öfteren auch mal jemand links abbiegen und schert dann ohne Blinker rüber oder andersherum – passieren nicht allzu viele Autos die Kreuzung. Dann muss man knapp 2 min warten bis die anderen 3 Straßen fertig sind mit ihrer Grünphase und dann ist mal selbst wieder dran. Wie oft habe ich schon an der Kreuzung gestanden, gewartet, auf die verrinnende Zeit geschaut und geflucht.
Gerade bei so einem Verkehr könnte man denken, dass die Leute dann vielleicht besonders bedacht auf ihre eigene Sicherheit sind, damit ihnen im Falle eines Unfalls nichts zustößt. Pustekuchen. Kindersitz – was ist das?; Anschnallgurt – hääää?; Kofferraum / Ladefläche – wie, der ist nicht für Leute gedacht? Ich würde behaupten, Mexiko hängt unserem deutschen Standard ca. 30 Jahre hinterher. In der Autowaschanlage z.B. sind sie jedes Mal mit meinen Isofix-Kindersitzen überfordert, weshalb ich die immer alleine lösen muss. Das würde einem in Deutschland nicht unbedingt passieren. Was ich aber erschreckend finde, ist, dass selbst die Eltern an unserer Schule offenbar kein Gefühl für die nötige Sicherheit im Auto haben. Die zahlen jeden Monat Abertausende an Schulgeld und kriegen es nicht gebacken sich zu informieren. Dabei sehen gerade diese Eltern so viele Ausländer, die allesamt ihre Kinder in Kindersitzen haben. Erst neulich sah ich wieder eine Mutter im Auto sitzend, die ein ca. 6 Monate altes Baby auf dem Arm hatte, während sie mit der anderen Hand lenkte.
Da ist es schon fast die logische Konsequenz, dass in einem 5-Sitzer natürlich nicht nur 5 Leute sitzen. Wie oft saß ich schon staunend im Park und sah zu, wie aus einem kleinen Auto (ca. Golfgröße) noch und nöcher Personen ausstiegen. Da fängt man dann automatisch an mitzuzählen und wenn man dann irgendwann bei 10, 11, 12 Personen angelangt ist, fragt man sich nur noch, wie die da eigentlich alle reingepasst haben. Der Kofferraum wird auch gerne zum Personentransport benutzt. Einfach die Kofferklappe auf und Leute hinten rein. Die Beine baumeln dann hinten raus, denn immerhin passen so mehr Leute rein. Und nein, die schleichen natürlich nicht mit 5 km/h im Schritttempo irgendwo entlang, sondern fahren genauso ihre 100 km/h. Jeden Morgen sehe ich auch wie die Bauarbeiter zu ihren Baustellen kommen. Das sind Pick-Ups, die hinten auf der Ladefläche einen „Zaun“ haben und dann stehen sie da zusammengepfercht. Mal sind es 20-30 Mann, mal nur 2-3, dafür sitzen / liegen / stehen letztere dann dort zusammen mit dem Baumaterial, Betonmischer, Fahrrädern usw. Bei Umzügen wird auch nicht lange gefackelt. Die Umzugsleute, die keinen Platz mehr in der Fahrerkabine des LKWs haben, sitzen hinten im Dunkeln mit den Möbeln im LKW. So what.

Autobahnen gibt es hier auch, wobei wir die erst einmal benutzt haben als wir nach Guadalajara gefahren sind. Wenn ich mich recht erinnere, darf man dort maximal 110 km/h fahren. Naja, zumindest steht das auf den Schildern. Hier gibt es Autobahnen, wo man Maut bezahlen muss, das sind die sogenannten cuotas. Und dann gibt es noch die freien Autobahnen. Erstere befinden sich (meistens) in einem deutlich besseren Zustand als die anderen Autobahnen, weil sie gepflegt und des Öfteren repariert werden. Das klingt so weit ganz nett. Unschön fand ich jedoch, dass die ersten 200 km von San Luis aus die cuota nur einspurig war für jede Seite. Eher wie eine deutsche Landstraße, nur etwas breiter.
Damit man allerdings trotzdem überholen kann, gibt es hier ein ganz „tolles“ System. Beide Seiten, also auch der Gegenverkehr, fahren nicht in ihrer Spur, die ausnahmsweise mal markiert ist, sondern AUF dem Spurenstrich und zwar jeweils ganz rechts. Dadurch entsteht in der Mitte ein relativ breiter Streifen, den dann beide Seiten zum Überholen nutzen können. Natürlich passt da trotzdem nur ein Auto durch, sodass man höllisch aufpassen muss, dass niemand vom Gegenverkehr ebenfalls gerade Überholen möchte. Da die Geschwindigkeit hier auch im Schnitt bei 130 – 140 km/h liegt – einige Experten kacheln dort mit 200 km/h entlang – , wird sogar der Blinker benutzt, um dem Gegenverkehr zu signalisieren, dass man gleich die „Mittelspur“ benutzt. Ich finde das wirklich ganz ganz furchtbar und habe jedes Mal angefangen zu beten, dass wir unfallfrei wieder auf unserem Strich landen. Und nein, ich bin eigentlich nicht gläubig.

Um aber mit etwas Positivem abzuschließen: Trotz allem sind die Mexikaner sehr entspannt. Die Hupe wird wie gesagt kaum benutzt. Wenn man am Straßenrand jemanden sieht, den man kennt, bleibt man eben mal 5 Minuten zum Quatschen stehen. Ungeachtet der Autoschlange, die sich dahinter eventuell bildet, weil keiner vorbeikommt. Die Wartenden widmen sich dann eben ihren Handys oder hören Musik. Dieses Entspannte finde ich sehr sympathisch. In Deutschland würde wohl schon nach spätestens 10 Sekunden ein wildes Hupkonzert losgehen.