Aus Erzählungen wusste ich bereits, dass mexikanische Kindergeburtstage ganz anders ablaufen als deutsche. Diese unterscheiden sich jedoch nicht nur im Ablauf, sondern auch in der Gästeanzahl, dem Essen, der Uhrzeit und auch der Location. Somit war es für die Kinder und mich eine ganz neue Erfahrung als wir erstmalig zu einem mexikanischen Geburtstag eingeladen wurden.
Am letzten Donnerstag war es nun soweit, dass wir gemeinsam zu dem Geburtstag gingen. Ich würde gerne „zum ersten und zum letzten Mal“ sagen, aber das bleibt wohl reines Wunschdenken. Mir persönlich war es zu laut, zu voll, zu viel und zu spät. Eben einfach zu viel von allem.
Das Geburtstagskind war ein Mädchen aus der Kindergartengruppe der Kleinen und wurde somit 5 Jahre alt. Es wurden beide Kindergartengruppen aus dem gesamten Jahrgang eingeladen, was somit in Summe ca. 30-40 eingeladene Kinder ergab. Zusätzlich waren auch die Geschwister, Eltern und Großeltern herzlich willkommen, wodurch sich die Gästeanzahl auf ca. 100 Leute erhöhte.
Die Einladungskarte war aufwendig designt und in einem Fotoshop oder ähnlichem gedruckt worden. Von einer selbst gebastelten Karte, auf der das Geburtstagskind im besten Falle selbst seinen Namen oder den des Gastes raufkritzelt, weit entfernt. Auf dieser stand geschrieben, dass der Geburtstag um 16 Uhr beginnen würde. Mehrere deutsche Bekannte, die hier schon länger wohnen, meinten jedoch, dass man frühestens 30-40 min später kommen solle. Das würden alle so machen und sei hier üblich.
Auch wenn ich mich dabei reichlich unwohl fühlte – in mir steckt typisch deutsche Pünktlichkeit -, fuhren wir erst gegen 16.40 Uhr zum angemieteten „salón“. Zeitgleich mit uns kamen noch drei andere Gäste an, wodurch sich mein schlechtes Gewissen zumindest etwas beruhigte.
Für solch große Geburtstagsfeiern ist es typisch, dass irgendetwas gemietet wird. Entweder ein großer Spielbereich (ähnlich einem Indoorspielplatz), ein Restaurant oder eben ein salón. Letzterer ist meistens ein großer Bungalow mit einem angrenzenden Außenbereich inklusive Spielmöglichkeiten. Der dortige salón bestand aus einem ca. 50 m² großen Raum, in dem es das Buffet gab, welches komplett aus Süßigkeiten bestand, und einen großen Geschenketisch. Die mitgebrachten Geschenke werden dort abgelegt, denn diese werden vom Geburtstagskind üblicherweise erst nach der Feier ausgepackt, da es als unhöflich gilt, diese direkt auszupacken.
Ich habe gehört, dass man damit signalisieren möchte, dass einem die Anwesenheit des Gastes wichtiger ist als das mitgebrachte Geschenk. Eigentlich finde ich den Gedanken dahinter sehr schön, andererseits finde ich es komisch sich für ein Geschenk zu bedanken ohne zu wissen, was drin ist. Hinzu kommt, dass ich aus bloßer Neugierde gerne gesehen hätte, was Mexikaner an Geburtstagen verschenken.
In dem Raum gab es noch drei weitere Tische, an denen die Erwachsenen Platz nehmen konnten, und ein mittelgroßes Bällebad. Angrenzend an den Raum gab es eine große überdachte Terasse, auf der drei lange Kindertische standen. Das Dach war auch notwendig, denn obwohl es erst Ende Februar war, hatten wir an diesem Tag über 30 °C.
Der Garten war ca. 400 m² groß und beinhaltete so ziemlich alles, was sich ein Kinderherz wünschen kann: einen Sandbereich mit Spielturm, Rutsche und Schaukeln, kleine Spielhäuschen, mehrere Klettergerüste und eine Seilbahn.

Die Seilbahn war jedoch ziemlich gemeingefährlich konstruiert, dass mir in Gedanken ein „typisch Mexiko“ rausgerutscht ist. In Deutschland ist das Seilbahnende ein offener Bereich, ähnlich einem Schaukelgerüst, damit man am Ende schön ausschwingen und wieder zurückfahren kann. Dort war das Seilbahnende ein Gerüst aus 3 Stangen, die wie bei einem Lagerfeuer oder Tipi oben zusammenliefen. Sprich, wenn man dort zu schnell unterwegs war, donnerte man karachomäßig gegen die hintere Stange. Gehirnerschütterung und gebrochene Knochen inklusive. Außerdem musste man schnurgerade fahren, um die „Einfahrt“ zwischen den beiden äußeren Stangen zu treffen. Ich ließ die Kleine zwar ein paar Mal fahren, stand aber jedes Mal mit einem halben Herzinfarkt daneben und sah uns schon den Rettungswagen rufen.

Aber alles in allem war der salón eine schöne Sache, wenn nur nicht so viele Kinder dagewesen wären. Es war (logischerweise) zum einen irre laut und für mich auch ziemlich schwer alle vier Kinder im Auge zu behalten, da ich zusätzlich zu meinen eigenen noch die Freundin der Kleinen dabei hatte. Dazu die ganzen Eltern, die ich allesamt nicht kannte und mit denen mir auf die Schnelle auch keine wirklichen Gesprächsthemen einfielen, die ich mit meinen Spanischkenntnissen hätte meistern können. Erschwerend kam hinzu, dass ich ein absoluter Partymuffel bin.
An Geburtstagsspielen, wie z.B. Topfschlagen, Stuhltanz usw, gab es im Übrigen nichts, was hier ebenfalls üblich zu sein scheint. Die Kinder pendelten die ganze Zeit zwischen dem Süßigkeitenbuffet – kleine Chips- und Popcorntüten, Muffinförmchen mit typisch mexikanischen Gebäcken – und dem Garten hin und her und waren glücklich. Die Jungs schlossen sich mit anderen älteren Geschwisterkindern zusammen und spielten auf dem, zumindest für ihre Größe, viel zu kleinen Fußballfeld und ignorierten geflissentlich meine regelmäßigen „Nicht zu doll schießen! Hier sind so viele kleine Kinder„-Rufe.
Gegen 18 Uhr wurde die piñata geschlagen. Für uns alle war es das erste Mal und somit wussten wir nicht wirklich, was uns erwartet. Die Mädchen und Jungs wurden getrennt in je einer Reihe aufgestellt. Das Geburtstagskind (Mädchen) bekam einen langen Holzstock in die Hand und fing an auf eine große Pappgiraffe, die an einem Seil hing, einzuschlagen. Dazu wurde ein kurzes spanisches Lied gesungen, welches ich weder kannte noch verstanden habe. Als das Lied zu Ende war, wurde der Stock an einen Jungen weitergereicht und das ganze wiederholt. Jungen und Mädchen wechselten sich beim Schlagen jeweils ab und die piñata wurde durchgängig an dem Seil von einem Elternteil hoch und runtergezogen, um den Kindern das Schlagen etwas zu erschweren. Als die Giraffenfigur ein großes Loch hatte, wurde sie vom Seil geholt und die Eltern des Geburtstagskindes schütteten alles, was in der Giraffe war, auf den Boden aus: viele Süßigkeiten wie Lutscher, Bonbons, Kekse, Chilipulver und Riegel, aber auch kleine Puzzle, Notizbücher, Stifte, Radiergummis und vieles mehr.

Die mexikanischen Kinder, die das Prozedere offensichtlich schon mit der Muttermilch aufsaugen, stürzten sich wie die Hyänen auf den ausgeschütteten Inhalt und rafften alles in Windeseile zusammen. Die deutschen Kinder – neben meiner Kleinen gab es noch drei weitere deutsche Kindergartenkinder – hatten einfach keine Chance. Die Tränen, die dann flossen, waren somit vorprogrammiert. Zum Glück gab es noch eine zweite piñata und für die habe ich meinen Mittleren instruiert. Er sollte die Kleine unterstützen und wenigstens ein, zwei Sachen für sie organisieren. Und obwohl er über einen Kopf größer war als die Kindergartenkinder, hatte auch er große Probleme, überhaupt etwas zu ergattern. Letztendlich bekam er aber zwei, drei Stücke für die Kleine, sodass sie auch glücklich war.
Wenn ich das alles so revue passieren lasse, muss ich sagen, dass mir unsere deutschen Geburtstagsspiele doch deutlich besser gefallen als eine piñata. Erstens geht es dabei gerechter bei der Verteilung zu und zweitens fand ich dieses „Ich stürze mich auf die Süßigkeiten, setze mich möglichst auf einen großen Berg drauf und schiebe alles, was in meiner Reichweite ist, auch noch unter meinen Rock“ nicht sonderlich toll. Vielleicht war das auch nur ein abschreckendes Negativbeispiel und die nächsten Geburtstagsfeiern werden ganz anders. Wer weiß.
Nach der piñata, es war mittlerweile 18.30 Uhr, wurde der Geburtstagskuchen angeschnitten, den es in Deutschland eher gegen 15 Uhr gibt. Die Torte war zweistöckig, bestand außen vermutlich aus Fondant und innen aus fluffigen Böden und einer cremigen Masse. Da die Torte nun schon mehrere Stunden draußen in der Hitze stand, war der Fondant ziemlich hart und schmeckte auch nicht wirklich. Vielleicht war es aber auch gar kein Fondant, sondern etwas anderes. Direkt im Anschluss gab es noch etwas Herzhaftes: Mehrere kleine Tacos mit je einer normalen und einer scharfen Fleischfüllung. Die scharfe Füllung war mir und meinen Kindern viel zu scharf, aber zu unserem Erstaunen haben es viele der kleinen Mexikaner gegessen.
Gegen 19 Uhr machten wir uns auf den Heimweg, obwohl der Geburtstag noch bis 20 Uhr ging. Auch das ist hier normal: Jeder kommt und geht, wann er will. Um 19.15 Uhr war ich dann endlich mit drei komplett überdrehten Kindern zuhause. Vor allem der Kleinen hat man angesehen, dass der ganze Geburtstag viel zu viel für sie war. Selbst am nächsten Tag hatten wir noch etwas davon.
Um aber mit etwas Positivem abzuschließen: Freies Spielen während der Geburtstagsfeier auf einem großen Spielplatz oder ähnlichem finde ich super, vor allem in dem Alter. Nur die piñata – zumindest wie sie dort abgelaufen ist – und die Menge an Gästen ist nichts für mich, aber das hat wenig mit Mexiko zu tun. Das wäre mir auch in Deutschland zu viel.
Für den Großen war es nicht seine erste mexikanische Feier. Er wurde bereits Ende Januar zu einem 13. Geburtstag eingeladen. Bei diesem war das Thema Casino, sodass an allerlei Tischen Roulette, Poker usw. und eine große Tanzfläche aufgebaut war. Dazu gab es ebenfalls ein riesiges Büffet mit Süßigkeiten, wo sich bei der Eröffnung alle mexikanischen Kinder draufstürzten, als hätten sie seit Wochen nichts mehr zu essen bekommen. Die ausländischen Kinder hielten sich dezent zurück und nahmen sich dann auch nur ein, zwei Sachen, während die Mexikaner anderen die Berge in ihren Armen kaum halten konnten. Auch die Geburtstagstorte war passend zum Motto im Casino-Stil.
Auch wenn ich nicht dabei war, konnte ich alles nahezu live miterleben. Denn die Mutter des Geburtstagskindes verschickte während des gesamten Geburtstages von 16-21 Uhr an mich und die anderen Eltern ausgesprochen viele Fotos und Videos der Feier. Das habe ich in Deutschland in der Form nicht mal bei Geburtstagen im Kindergartenalter erlebt, geschweige denn bei Jugendlichen.